MonsterMensch
MonsterMenschMonsterMensch

Der Golem - Wie er in die Welt kam

monstermensch.de_bilder_g_golem1920_36.jpg Deutschland 1920

Regie: Carl Boese, Paul Wegener

Mit: Paul Wegener, Albert Steinrück, Ernst Deutsch

Jetzt weck ich den Golem zum Leben!

Der weise Rabbi Löw sieht in den Sternen, dass den Juden großes Unheil droht. Und tatsächlich geht schon bald vom Kaiser ein Erlass aus, der die Juden aus ihrem Ghetto vertreiben soll. In seiner Verzweiflung formt der Rabbi eine mystische Kreatur aus Lehm und erweckt diese mittels eines dämonischen Zauberwortes zum Leben. Der so geborene Golem verrichtet zunächst nur tumbe Frondienste, bis der Rabbi ihn schließlich mit zum Kaiser nimmt um diesen umzustimmen. Im Palast erzählt Löw mittels Magie eine alte Geschichte, doch durch die Respektlosigkeit der Hofgesellschaft wendet sich der Zauber gegen die Menschen und droht den Palast zum EInsturz zu bringen. Der Golem indes rettet mit seiner übermenschlichen Kraft den Kaiser und zum Dank werden die Juden begnadigt.
Im Ghetto freuen sich die Menschen über die frohe Botschaft. Doch der junge Gehilfe des Rabbis entdeckt, dass Löws Tochter Mirjam einen heimlichen Geliebten hat. Getrieben von Eifersucht hetzt er den Golem auf das Liebespaar. Durch die Raserei des Golems wird der Geliebte getötet und beinahe sogar das gesamte Ghetto niedergebrannt. Erst ein unschuldiges Kind kann schließlich den Golem stoppen.

Der Golem“ ist ein meisterhaftes Frühwerk des Monsterfilms und der Lehmmann ist eine der frühesten tragischen Figuren des Genres. Erschaffen als Sklave und Rachewerkzeug ist die Kreatur dazu verdammt ein gefühlloser Diener zu sein, ohne eigenen Antrieb, blind seinem Meister gehorchend. Doch schon früh beginnt er ein Bewusstsein zu entwickeln. Anfangs genießt er nur einige warme Sonnenstrahlen, dann erfreut er sich an der Schönheit junger Frauen und schließlich versucht er sich zu widersetzen, als der Rabbi ihn „abschalten“ will. Welches Recht hat der Rabbi über ein Wesen zu bestimmen, dass sich seines eigenen Lebens derart bewusst ist? Eine der vielen klugen Fragen, die der Film aufwirft.
Es stellt sich heraus, dass der Golem von einem Dämon verflucht ist, Böses zu tun. Die Vorsehung sagt er sei verdammt Tod und Zerstörung zu bringen und doch geschieht alles Unheil in der Geschichte allein durch die Torheit der Menschen: die dreisten Höflinge sind Schuld an der Zerstörung des Palastes, der eifersüchtige Gehilfe hetzt den Golem auf den Geliebten. Vielleicht war die Vorhersehung noch gar nicht eingetreten und der Golem wurde vollkommen zu Unrecht verteufelt.
Eines der Hauptmotive des Films ist Vergebung, die Juden werden begnadigt und Mirjam verzeiht dem Gehilfen. Doch tatsächlich hätte keiner diese Vergebung mehr verdient, als der Golem, der sie als einziger jedoch nie bekommt.

Als Monster macht der Golem eine sehr gute Figur. Geformt wie ein übergroßer Mensch hat die Kreatur eine unwirkliche Qualität, die sich sehr gut in das gesamte Design und die märchenhafte Stimmung des Films einfügt. Der Co-Regisseur Wegener spielt die Figur selber und schafft es, ihr Züge zu verleihen, die sie je nach Situation furchterregend aber auch melancholisch erscheinen lassen.
Interessanterweise wird der Golem vom Rabbi nicht versteckt oder verheimlicht, sondern bewegt sich frei durch das Ghetto. Andererseits wird er auch nicht wirklich sofort eingesetzt um die Juden irgendwie zu retten oder zu beschützen, sondern dienst dem Rabbi zunächst nur als nützliche Haushaltshilfe. So verrichtet er Frondienste wie Holzhacken, Wasserschleppen und auch die Einkäufe, was zu recht amüsanten Begegnungen mit den Dorfbewohnern führt.
Obwohl der Golem als Heilsbringer fungiert, wird ihm doch von den Erwachsenen nur Angst und Misstrauen entgegen gebracht. Dahingegen bietet das kleine Kind am Ende ohne Abscheu, voller Güte dem Golem von seinem Essen an und möchte mit ihm spielen. In diesem Moment, in dem der Golem vollkommen akzeptiert wird, wird er auch „besiegt“ und zwar durch Unschuld und nicht durch Gewalt. Ein sehr ungewöhnliches und zugleich sehr schön erzähltes Ende.

Auch optisch bietet der Film viele Schauwerte, vor allem in den wunderbar gestalteten Sets. Das mittelalterliche Ghetto kann getrost als Alptraum-Architektur beschrieben werden. Alles ist schief und kein einziger rechter Winkel zu entdecken. Wände wirken fleischig und organisch und die Beleuchtung tut ihr übriges um eine zuweilen bedrohliche Atmosphäre zu erschaffen. Hervorzuheben ist die Szene, in der dem Dämon das lebensspendende Zauberwort entlockt wird. Mittels Feuer, Rauch und Licht wird die Beschwörung trotz der offensichtlich primitiven Spezialeffekte zu einem fesselnden und unheimlichen Moment.

Es hilft, dass die beiden Regisseure hinter der Kamera große Namen versammelt hatten. Das Drehbuch stammt von Henrik Galeen, der später auch „Nosferatu“ schrieb. Die Kamera führte einer der besten Kameramänner der UFA, Karl Freund, der auch „Metropolis“ fotografierte und später in den USA für die Universal Studios „Die Mumie“ und den hervorragenden Horrorfilm „Mad Love“ mit Peter Lorre inszenierte. Setdesigner war ein namhafter berliner Architekt, dem als Assistenten kein geringerer als Edgar Ulmer zur Seite stand.

Dies ist der dritte Golem-Film den Paul Wegener inszeniert hat, jedoch der einzige, der erhalten geblieben ist (von einem der anderen Teile existieren noch wenige Fragmente). Sein allegorischer Film, dessen Ursprung eine alte jüdische Sage ist, kann auch heute noch ernsthaft filmwissenschaftlich analysiert werden hinsichtlich Geschlechterrollen, politischen Metaphern, ethnologischer und religiöser Symbolik.
Zudem hatte der Film wichtigen Einfluss auf spätere expressionistische Filme und auch auf die Horrorfilme der Universal-Studios.

Der Golem“ ist eine der Wurzeln des modernen Horrorfilms, visuell wegweisend und voller anregender Ideen.



Der Golem, wie er in die Welt kam in der imdb

Siehe auch
Le Golem (1936)
Der Golem lebt! (1967)




Ausschnitte




Bilder
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_01.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_03.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_05.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_06.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_07.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_08.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_09.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_10.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_11.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_12.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_13.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_14.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_15.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_16.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_17.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_18.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_19.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_20.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_22.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_24.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_25.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_26.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_27.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_31.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_32.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_33.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_34.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_39.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_41.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_37.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_38.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_40.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_42.jpg
monstermensch.de_bilder_g_golem1920_43.jpg






der_golem_-_wie_er_in_die_welt_kam_1920.txt · Zuletzt geändert: 2017/04/03 12:29 von monstermensch